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Unser Web Logbuch

Crossmedia – Wer bleibt auf der Strecke? (Teil 1/9)

20. Dezember 2011

Jede Gesellschaft und jede Zeit hat „ihr“ leitendes Massenmedium. Massenmedien sind nach Niklas Luhmann alle Einrichtungen der Gesellschaft, „die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen“ (Luhmann 2004: 10). Zugleich sind sie „Konstrukte, menschliche Macharten, die immer mehr abstrakte Wissensbestände über die Herstellung von Reichweiten der Mitteilung, von Erreichbarkeit, von Gegenwarten usw. enthalten.“ (Faßler 2002: 272)

Historisch folgen auf Flugschriften, Zeitungen und Radio das Fernsehen und das Internet. „Allen diesen Medien ist gemeinsam, dass sie Informationen speichern und übertragen, bewahren und vermitteln, und zwar über räumliche und zeitliche Distanz hinweg.“ (Neumann-Braun / Müller-Doohm 2000: 30) Das Internet scheint seinen „Vorgänger“ TV inzwischen endgültig abgelöst zu haben. Aber: Ist es wirklich so einfach? Das Fernsehen versucht sich ins Web 2.0 hinüberzuretten, begibt sich mehr und mehr in eine Co-Existenz mit aufwendigen Mediatheken, um auf die Zuschauer zeit- und ortsunabhängig zugreifen zu können. Mit Digitalisierung und einer deutlich höheren technischen Bildauflösung versucht das „alte“ Massenmedium TV, seine Attraktivität zu steigern und muss zugleich erkennen, dass es bei mancher Telefongesellschaft inzwischen gleichsam ein „Nebenangebot“ zum Internetanschluss geworden ist. Die Produzenten von Unterhaltungselektronik bieten Fernsehgeräte an, die zusätzlich einen einfachen Zugang zum Internet ermöglichen sollen. Die Menschen in den Medien sind inzwischen Produzenten von Inhalten, die zeitgleich in möglichst viele Kanäle gebracht werden. Unter Umständen hat jedoch ein Amateurvideo auf dem Internetportal „YouTube“ gleichzeitig wesentlich mehr Zuschauer als ein Fernsehbeitrag zum gleichen Thema. Im Internetzeitalter wird der Zuschauer zum Programmdirektor, muss sich – bewusst oder von Suchmaschinen geleitet – entscheiden, welchen Inhalt er rezipieren will. In diesem Sinne ist das Internet mehr als nur ein einziges Massenmedium. Kann angesichts dieser technologischen, inhaltlichen und arbeitssoziologisch relevanten Veränderungen noch von einem Leitmedium gesprochen werden? Kann das Medium selbst noch Teil der Botschaft sein, wenn der Wechsel von einem Medium zum anderen gar nicht mehr wahrgenommen wird? Welche Auswirkungen hat es, wenn eine Gesellschaft sich in immer mehr Medienszenen ausdifferenziert?

Auf der Suche nach dem Leitmedium – die Route wird berechnet

Der Begriff des Leitmediums ist inzwischen derart aus der Mode gekommen, dass eine erste Assoziation bestenfalls an Navigationsgeräte für das Auto denken lassen könnte. Das Leitmedium ist eine nicht eindeutig definierte Begriffshülle, die unter dem Begriff „Navigationssystem“ eine große Menge unterschiedlicher Aspekte einschließt.

Das Befassen mit dem Phänomen Navigation lässt zwei Rückschlüsse zu:

1. Menschen haben ein Bedürfnis, sich zu orientieren.

2. Es ist nicht einfach zu analysieren, woran genau sich Menschen orientieren.

Diese beiden Gedanken werden uns weiterhin auf der Suche nach dem Leitmedium im crossmedialen Zeitalter begleiten.

[demnächst mehr …]

 

Ausschnitt aus einem Beitrag von Malte Burdekat in: Hohlfeld, Ralf u.a. (Hg.): Crossmedia – Wer bleibt auf der Strecke?, Berlin, 2010